Alexander Mayer

2004

 

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Spagat zwischen Technik und Geschichte

Das Rundfunkmuseum ist das größte deutsche Museum seiner Art und bestand zum Zeitpunkt des Interviews (2004) seit 11 Jahren. Museumsleiter Gerd Walther (inzwischen a.D.) stellte sich meinen Fragen.

Herr Walther, welche Zielgruppe visiert das Rundfunkmuseum an, ist es ein Technikmuseum oder ein Geschichtsmuseum?
Wir wenden uns an ein breites Publikum. Praktisch jeder hat heute mit Radio und Fernsehen, Ton- und Bildspeicherung zu tun. Und das täglich. Die Besucher knüpfen auch in erster Linie an Erinnerungswerten an. Eher weniger wollen nur Technik sehen. Wir zeigen einen Teil der Alltagskultur mit Medien, deren Bedeutung mit der Zeit immer mehr zunahm. Das hat auch mit Technik zu tun, aber bei weitem nicht nur.

Entstehen daraus nicht Zielkonflikte bei der Präsentation?
Im wesentlichen nicht. Wir bemühen uns, die Besucher differenziert anzusprechen. Unsere Geräteschilder bringen zwar knappe Erläuterungen, weil die Geräte an sich wirken sollen. Aber man kann sich mit Ton und Bilddokumenten sowie schriftlichem Material ein Bild über die Zeit machen. Zudem werden an Infostationen ausführliche Informationen über die ausgestellten Geräte, die Herstellerfirmen und Grundprobleme der Epoche gegeben. Zudem soll in Zukunft eine Art Gebrauchsanweisung für das Museum erstellt werden, damit die Besucher auch unsere vielfältigen Angebote erkennen. Die Sonderausstellungen haben einen ganz anderen Blickwinkel als die Dauerausstellung.

Gerd Walther leitet das Rundfunkmuseum Fürth, rechts im Hintergrund Max Grundig als Pappkamerad. Foto: A. Mayer.

Die Sonderausstellungen zeigen mehr Programmgeschichte, die Dauerausstellung Geräte und Technik. Ist das  nicht ein Widerspruch?
Nein, ganz und gar nicht. Die Geräte sind sowieso da. Interessant ist doch, was herausgekommen ist. Auch einen Radio oder Fernseher kauft man sich ja nur aus diesem Grund. So legen wir bei den Sonderausstellungen einen Schwerpunkt auf den kommunikativen Aspekt, auf die Programmgeschichte. Bis September 2005 haben wir als Schwerpunkt die 1940er und 1950er Jahre, Krieg und Nachkriegszeit. Die Ausstellungen werden durch Vorträge vertieft. Hinzu kommen kleinere Ausstellungen, die sich beispielsweise mit dem Hörspiel beschäftigen oder Porträts von Stars der Vergangenheit erstellen.

Können Sie das Konzept anhand einer Sonderausstellung erläutern?
 Die nächste Sonderausstellung beschäftigt sich mit den sog. Weihnachtsringsendungen in den Jahren 1940 bis 1943. Hier wurde der Anschein einer Live- Sendung erweckt, in der Soldaten am 24. Dezember mit ihren Angehörigen daheim zusammengekoppelt waren. Es meldeten sich Soldaten aus ihren Frontabschnitten, beispielsweise aus Narvik, Kreta, St, Nazaire, Leningrad, Stalingrad, vom Schwarzmeerhafen Pelsen. Das war aber mit Tonband vorher aufgezeichnet. Weihnachten wurde hier für die NS-Kriegsführung instrumentalisiert, die vorgetäuschte Live-Sendung suggerierte einen technischen Höchststand. Der Rundfunk war das ideale Instrument, eine Volksgemeinschaft, die Verbindung von Heimat und Front, vorzutäuschen. Die technische Leistung wurde in den Dienst der Ideologie gestellt.

Die Dauerausstellung legt aber den Schwerpunkt auf die Technik - also doch ein Technikmuseum?
Nein, die Dauerausstellung zeigt mit vielen Raumensembles Aspekte des Alltags im 20. Jahrhundert, Wohnzimmer und Zelt, Werkstatt, Radioladen und vieles mehr. Aber natürlich ist das Radio auch ein technisches Gerät, das wir erklären und verständlich machen wollen. Hierzu benutzen wir vor allem Demonstrationsmodelle, die erklären, wie bestimmte Dinge funktionieren. Die Sonderausstellungen decken eher den Programmbereich und den kommunikativen Teil ab. Heuer lag der historische Schwerpunkt auf dem 2. Weltkrieg, 2005 wird die Nachkriegsgeschichte behandelt. Am Beispiel eines „Rundfunkverbrechers“, also eines Mannes, der wegen Abhörens ausländischer Sender 1941 zu 13 Monaten Haft verurteilt wurde, zeigen wir, wie man nach 1945 mit so einer Strafe umging. Erst 1958 war der Mann ganz rehabilitiert. Den Denunzianten passierte dagegen nichts, sie wurden nach dem Krieg nicht belangt.

Heute bestimmt Elektronik unser Leben mehr denn je. Fehlt hier nicht eine gesonderte, erklärende Präsentation modernster Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik?
Wir sind in allen Bereichen bemüht, die Präsentation bis in die Gegenwart zu führen. Als beispielsweise die ersten Plasma- Großbildschirme herauskamen, hatten wir zeitweise für ca. einen Monat ein entsprechendes Gerät, aber zum Kauf für die Dauerausstellung hätte das um die 25.000.- DM gekostet. Zudem ist die technologische Entwicklung so schnell, dass wir Informationsdefizite hätten. Aber letztlich kann man sich modernstes Gerät in jedem Elektrogroßmarkt anschauen und erklären lassen. Die sind bezüglich der Gegenwart sicher überlegen, so wie wir bezüglich der Vergangenheit einen Vorsprung haben.

Das Rundfunkmuseum hat außer Ihnen keine hauptamtlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter, im technischen Bereich wird die Forschung weitgehend von ehrenamtlichen Mitarbeitern übernommen. Wie sieht das im nationalen Vergleich aus?
Am Museum arbeitet noch eine Museumspädagogin, aber insgesamt gibt es sicher einen Nachholbedarf, der sich wohl in erster Linie aus der derzeitigen Finanzlage der Kommunen erklärt. Wir setzen neben unseren hochqualifizierten ehrenamtlichen Mitarbeitern, die auf eine lange berufliche Tradition zurückblicken können, auf die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Deutschen Rundfunkarchiv, universitären Einrichtungen, etwa dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft in Erlangen, oder Rundfunkanstalten wie den Bayerischen Rundfunk, die ja ein hochwertiges Programm bieten.

Das Rundfunkmuseum in der Uferstadt, das ehemalige Direktionsgebäude war früher eng umgeben von Produktionsstätten aus Grundigs Frühzeit (Halle A, U-Bau),die nun abgerissen sind. Links hinter den Autos Überreste des ehemaligen Heilbades, rechts das 1964 errichtet Grundig-Verwaltungsgebäude. Foto: A. Mayer.

Die Finanzen sind für eine Kultureinrichtung in Fürth immer ein besonderes Problem, das jüdische Museum scheint in seiner Existenz als international anerkannte Institution bedroht. Wie funktioniert das beim Rundfunkmuseum?
 Wir hatten auch diverse wirtschaftliche Schwierigkeiten nach dem Umzug an die Kurgartenstraße, an denen aber das Museums selbst relativ unschuldig war. Unser Haushalt wurde jetzt neu geregelt und auf realistische Grundlagen gestellt. Ich gehe davon aus, dass wir mit dieser Neuregelung leben können. Die jetzigen Zielvorgaben können wir erreichen. Vorher musste ich einen Grossteil meiner Arbeitszeit wirtschaftlichen Problemen widmen.

Vor einiger Zeit wurde ein eventueller Umzug in das Bahnhofsgebäude in die Diskussion gebracht. Wie stehen Sie dazu?
Im Prinzip bin ich für diese Lösung offen, aber es gibt doch einige Probleme. Da wären einmal die Geräuschbelästigungen durch Züge und Bahnhofsdurchsagen, dann die Erschütterungen, die bei alten Röhren zum Heizfadenbruch führen können...

... und elektromagnetische Strahlung durch Starkstromoberleitungen, die Fernseher nicht vertragen.
Ja. Da alles lässt sich mit dem Museum schwierig ein Einklang bringen. Die Stadt will natürlich die Miete für das jetzige Gebäude sparen. Aber wir haben von Grundig ein frisch saniertes Gebäude übernommen. Diese Kosten muss man umrechnen. Der erste Mietvertrag geht bis 2011, dann hat die Stadt noch bis 2021 Optionen. Wie sehen Sie die Stellung des Museums in der nationalen Museumslandschaft? Dort sind wir angekommen. Wir sind das größte Rundfunkmuseum im deutschsprachigen Raum und kooperieren mit entsprechenden anderen Museen, Einrichtungen, Organisationen und Rundfunkanstalten. Auch was unsere Öffentlichkeitsarbeit betrifft. Für viele Rundfunkanstalten, vor allem die öffentlichrechtlichen, sind wir für rundfunkhistorische Fragen ein zentraler, selbstverständlicher Ansprechpartner. Momentan haben wir eine projektbezogene Zusammenarbeit mit dem WDR, dem MDR und dem BR. Kürzlich wurde für Galileo bei uns gedreht.

Wie sieht die Stellung des Rundfunkmuseums in Fürth aus?
Was Fürth anbelangt, habe ich manchmal Zweifel, ob wir bei allen Verantwortlichen schon angekommen sind. Aber das kann ja noch werden....

Das Interview führte Alexander Mayer