Alexander Mayer

2002

 

Zu Specials


 

Konstraste: Jüdische Raubkunst in Nürnberg und Fürth

Das Tora Schild

Im Jahre 1990 wurde ein prachtvolles Tora Schild mit anderen Kultgegenständen von einem Nürnberger Bürger dem Stadtarchiv Fürth übergeben. Der Schwiegervater des Überbringers habe es als Privatmann – nebenbei Mitglied der SA - in den 1930er Jahren von einem Juden "übereignet erhalten". Die näheren Umstände dieser "Übereignung" sind nicht bekannt, dürften sich aber wohl kaum in einem rechtsstaatlichen Rahmen abgespielt haben. Das Jüdische Museum konnte durch Recherchen herausfinden, daß das Tora Schild in den 20er und 30er Jahren einem Ehepaar Sigmund und Frieda Dottenheimer gehörte, das vier Kinder hatte, ein Sohn emigrierte 1937 in die Vereinigten Staaten. Alle anderen Familienmitglieder wurden später in Vernichtungslagern ermordet.

Ende 1998 nahm das Jüdische Museum Franken Recherchen mit dem Ziel auf, mögliche Anspruchsberechtigte zu finden. Ermutigt und berechtigt zu dieser Handlungsweise fühlten sich Museumsleiter Bernhard Purin und sein Team durch die "Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" vom 3. Dezember 1998 und die "Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz" vom 14. Dezember 1999.

In diesen Dokumenten werden öffentliche Einrichtungen wie Museen, Archive und Bibliotheken aufgefordert, bei in Frage kommenden Erwerbungen entsprechende Nachforschungen mit dem Ziel einer "Restitution" (Rückerstattung) anzustellen. Bernhard Purin ist im übrigen Beiratsmitglied zweier Institutionen, die sich mit entsprechenden Fragen beschäftigen; im "Center for Documentation of Looted Art" (New York) und in der "European Commission for Looted Art Documentation" (London).

Die Stadt Fürth nahm dagegen einen "pragmatischen Rechtsstandpunkt" ein und war über die Bemühungen des Museums alles andere als begeistert. Böse Zungen behaupten sogar, daß vor allem Vertreter der jüdischen Gemeinde in Fürth für ein Beharren auf das städtische Eigentumsrecht eingetreten seien.

Dieses Tora Schild gehörte der Familie Sigmund und Frieda Dottenheimer. Aus der Familie überlebte nur der Sohn Fredi Joel Dottenheimer. Foto: Jüdisches Museum Franken in Fürth.

Die Nachfahren

In jedem Fall gelang es dem Jüdischen Museum nach detektivischer Spürarbeit, die Nachfahren des einzigen Überlebenden Fred Joel Dottheim – der ursprüngliche Name Dottenheimer wurde verkürzt – in New York und in Jefferson City (Missouri) zu finden. Die Tochter Faye Dottheim-Brooks schrieb unter anderem per E-Mail an das Jüdische Museum: "Unser Großvater Sigmund Dottenheimer wurde am 18. Oktober 1887 in Gunzenhausen geboren und er wurde in einem Konzentrationslager ermordet. Unser Vater, Fredi Joel Dottenheimer, wurde am 31. Oktober 1913 in Gunzenhausen geboren, emigrierte 1937 in die Vereinigten Staaten und starb am 5. Juli 1986... Soweit wir wissen, gibt es keine weiteren Familienangehörigen. Sigmunds Frau und seine drei anderen Kinder, Kurt, Irene und Werner wurden alle in Konzentrationslagern ermordet... Der Verlust seiner Mutter, seines Vaters, seiner Schwester und seiner beiden Brüder war außerordentlich schmerzhaft für unseren Vater. Als Folge davon sprach er nicht viel über sein Leben vor der Emigration in die Vereinigten Staaten."

Faye Dottheim-Brooks und ihr Bruder stellten im November 2000 einen schriftlichen Antrag auf Restitution, wobei sie nach Anerkennung ihrer Ansprüche eine Leihgabe des Tora Schildes an das Museum in Aussicht stellten. Das Jüdische Museum empfahl der Stadt Fürth die Anerkennung der Ansprüche, die nach schon erwähnten anfänglichen Widerständen ihren formaljuristischen Rechtsstandpunkt aufgab, so daß eine einvernehmliche "Vergleichs- und Freistellungsvereinbarung" abgeschlossen werden konnte. Das Museum und die Eigentümer vereinbarten vertraglich, daß das prächtige Tora Schild weiterhin als Objekt in der Dauerausstellung des Museums bleiben konnte.

Frieda Dottenheimer mit Ihren drei Söhnen , rechts Fredi Dottenheimer, der einzige aus der Familie der den Holocaust überlebte. Foto: Fam. Dottheim-Brooks.

Gewinn für Gewissen und Wissenschaft

Das Tora Schild erhielt mit dieser Geschichte einen überragenden Erkenntniswert, besonders natürlich für die betroffene Familie, aber auch für den Museumsbesucher wie für Wissenschaft und Forschung.

Viele Museen und öffentliche Einrichtungen zögern, intensive Recherchen zu möglichen Raubkunst-Objekten ihrer Sammlungen zu beginnen, die Gründe sind unterschiedlichster Art, wie für den Fall der "Stürmer-Bibliothek" weiter unten gezeigt werden soll. So leitet sich die Reputation eines Museums auch vom kunsthistorischen Wert seiner Sammlung ab, und das oben beschriebene Tora Schild ist eines der hervorragendsten Objekte im Fürther Museum. "Andererseits" so Bernhard Purin "ist die Aussagekraft der Objekte gerade für Jüdische Museen von zentraler Bedeutung, weil Judaica in mehrfacher Weise Erinnerungsträger sind: Für die, die sie einst verwendeten, hatten sie ihren festen Platz in Alltag und Festtag... Heute erinnern sie aber nicht nur an jüdisches Leben, sondern auch an die Schoa, als die Menschen, die diese Gegenstände einst benutzten und ihnen Bedeutungen zuwiesen, vertrieben und ermordet wurden... Wir haben durch diesen Fall gelernt, daß der ´Museumswert´ eines Objekt größer wird, wenn es gelingt, eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen".

Der New York Times war diese außergewöhnliche Geschichte immerhin einen fast ganzseitigen Artikel wert, ohne die anfänglichen kommunalen Vorbehalte – die den Nachkommen in den USA natürlich nicht verborgen blieben - hätte nicht nur das Museum, sondern auch die Stadt Fürth und ganz Deutschland an internationaler Reputation gewinnen können.

Das Nürnberger Gegenbeispiel

Julius Streicher und der Verlag seines widerwärtigen NS-Machwerkes "Der Stürmer" sammelten in den 1930er und 1940er Jahren – aus welchen Gründen auch immer – in großen Mengen von Juden geraubte Bücher, die im "Braunen Haus" (Marienstraße 11 in Nürnberg), in den Redaktionsräumen des NS-Hetzblattes "Der Stürmer" und im Pleikershof (Landkreis Fürth) als letztem Wohnsitz Streichers verwahrt, dort von den Amerikanern 1945 aufgefunden und dann zunächst in der Bärenschanzkaserne eingelagert wurden.

Nach Darstellung der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (im folgenden: IKG) wurden diese ca. 8.000 - 10.000 Bücher damals von den Amerikanern der IKG übereignet. An dieser Version sind zwar gut begründete Zweifel laut geworden, die Stadt Nürnberg hat aber die Eigentumsrechte der IKG de facto (und/oder de jure?) anerkannt, ein Mitarbeiter des Stadtarchivs kommentierte dies wie folgt: "Seit ca. 1997/98 ist die ´Stürmer´-Bibliothek zum Depositum der IKG mutiert". Die Bücher blieben aus Platzgründen dennoch damals wie heute im Bestand der Nürnberger Stadtbibliothek, wo sie als "Leihgabe der IKG" firmieren.

Ein großer Teil der Bücher aus der "Stürmer-Bibliothek" stammt nicht aus dem Besitz der Kultusgemeinde vor 1933, sondern wurde aus dem Besitz geflohener, verschleppter und ermordeter Juden zusammengeraubt, war also ursprünglich Besitz von Privatpersonen, von denen durchaus noch Erben vorhanden sind oder vorhanden sein könnten. Eine im Jahre 2000 durchgeführte Ausstellung zu diesem Bestand namens "Spuren und Fragmente" schuf einen - wenn auch unfreiwilligen, weil ursprünglich von ihr nicht beabsichtigten - Ansatz für die aktive Restitution von Raubgut.

Fred Dottenheimer auf dem Schiff in die Emigration (zweiter von rechts). Foto: Fam. Dottheim-Brooks.

"Spuren und Fragmente"

Die im Jahr 2000 in den Räumen der Stadtbibliothek Nürnberg gezeigte Ausstellung "Spuren und Fragmente" wurde in der Tagespresse als bahnbrechend gefeiert, die allgemeine Begeisterung von Publizisten und Politikern gipfelte schließlich in der Forderung nach einer dauerhafte Präsentation. Ein kompetenter Beobachter kommentierte dies demgegenüber als "offenkundige(n) Versuch, zugleich die Nürnberger jüdische Geschichte zu monopolisieren und mit öffentlichen Finanzmitteln eine Gegenveranstaltung zu dem in Acht und Bann getanen Jüdischen Museum Franken in Fürth und Schnaittach aufzuziehen."

Was war der Inhalt dieser zunächst hochgelobten Ausstellung? Anläßlich der Vorbereitungen zum 950jährigen Stadtjubiläum war der damalige Oberbürgermeister Scholz an die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg (IKG) herangetreten, sie möge einen Beitrag zu den entsprechenden Feierlichkeiten leisten. Anhand von Einträgen (z.B. Exlibris) in Büchern der "Stürmer-Bibliothek" wurden Leben und Schicksal vornehmlich der jeweiligen Besitzer nachgezeichnet. Veranstalter waren damit die IKG und die Stadt Nürnberg mit ihrer Stadtbibliothek, bearbeitet wurde die Ausstellung von einem Mitglied der IKG, der als ABM-Kraft bei der Stadtbibliothek beschäftigt war. Als "Zeitzeuge, Leihgeber, Mittelbeschaffer, kreativer Ratgeber, Korrekturleser und Kenner jüdischer Geschichte und Religion" stand der langjährige 1. Vorsitzende der IKG "zur Verfügung".

Schon die Grundanlage der Ausstellung hätte die Aufmerksamkeit auf die zentrale Frage der Restitution lenken müssen, die jedoch von "Spuren und Fragmente" links liegen gelassen wurde. Auch in einer erst im August 2002 verfaßten nachträglichen Bilanz des Ausstellungsmachers findet man keine Silbe zu dieser angesichts der Ausstellungskonzeption doch geradezu unumgänglichen Frage.

Es entstand der ungute Eindruck, daß diese Frage implizit mit der Behauptung umgangen werden solle, die "Stürmer-Bibliothek" lasse sich "zu einem bedeutenden Teil aus der Israelitischen Gemeindebibliothek Nürnberg ableiten", wie es im Ausstellungskatalog heißt.

Exlibris von Siegfried Heymann im Buch "Das Sonderrecht der gemeinen Judenschaft zu Fürth..." von Friedrich Neubürger. Die Ausstellung "Spuren und Fragmente" stellte anhand ähnlicher Einträge die Lebensgeschichte der Buchbesitzer nach – so jedenfalls der Anspruch. Scan: Jüdisches Museum Franken.

 

Restitution in Nürnberg

Im August 2002 räumte der Nürnberger Stadtrechtsdirektor Hartmut Frommer zur Restitution von Raubgut unumwunden ein, daß lange nichts geschehen sei und "Nürnberg spät dran sei": "Ehrlich gesagt, sind wir nicht sehr weit. Die Stadt hat hier nicht sonderlich rasch gehandelt." Allerdings leitete das Nürnberger Stadtarchiv bei begründeten Ansprüchen immer sofort eine Restitution ein. Um so mehr verwundert das völlige Fehlen dieser Fragestellung bei der Ausstellung "Spuren und Fragmente".

Die Restitution von wertvollen Kupferstichen des Kupferstechers Johann Alexander Boener – der um 1700 auch viele einzigartige Ansichten von Fürth anfertigte – an Margarete und Carol Meyers aus New Jersey (USA) im Juli 2002 durch Ulrich Großmann, Direktor des Germanischen Nationalmuseums, und die entsprechende Berichterstattung in den Nürnberger Nachrichten (H. P. Reitzner: "Raubkunst schlummert in Archiven") legten selbst unsensiblen und selbstgerechten Zeitgenossen eine explizite Stellungnahme nahe.

Zudem hatte Bernhard Purin und das Jüdische Museum in Fürth beispielhaft vorgeführt (siehe oben), was unter einer aktiven Restitution zu verstehen ist. Das Warten auf eher vereinzelte und zufällige Anfragen entspricht kaum einer Erfüllung dieser moralischen Pflicht und so formulierte der IKG-Vorsitzende dann auch endlich im August 2002: "Wir werden den Bestand im Internet veröffentlichen. Und wir werden Frank Harris, der in den USA einen Newsletter herausbringt, der an 1200 ehemalige Nürnberg-Fürther Gemeindeglieder oder deren Nachkommen geht, um Veröffentlichung bitten. Jeder bekommt sein Eigentum zurück, wir verstehen uns nur als Treuhänder". - Sehr lobenswert, besser wären solche Aktivitäten schon vor Jahrzehnten gewesen, als viele der nicht ermordeten ehemaligen Eigentümer noch lebten.

Die Ausstellung "Spuren und Fragmente" hatte aber noch ganz andere Reaktionen zur Folge.

Rezension schlägt Wellen

Ende März 2002 erregte hinter den Kulissen eine Internet-Rezension von "Spuren und Fragmente" in Fachkreisen große Aufmerksamkeit, Mund-zu-Mund- und E-mail-Propaganda im Schneeballprinzip sorgten für eine umfassende Verbreitung: Unter der auf deutsch-jüdische Regionalgeschichte spezialisierten Internetpräsentation http://juedische-geschichte.de – immerhin mit UNESCO-Portalempfehlung - erfuhren die Ausstellung und der Ausstellungskatalog eine vernichtende Kritik.

Mit vielen Belegen und zahlreichen Einzelbeispielen kam die Rezension zu wenig schmeichelhaften Urteilen über Ausstellung und zugehörigem Katalog, die – es sei zum Verständnis noch einmal daran erinnert - Lebensgeschichten und Lebensläufe von ehemaligen Buchbesitzern zum zentralen Thema haben:

"Blanke Ignoranz" und "genealogisches Seemannsgarn" herrsche vor, "schlicht falsche oder nebulöse Verbindung von Namen und Daten mit frei erfundenen Schilderungen des Lebens und Wirkens ganzer ebenfalls zusammenphantasierter ´Familien´" und die "Unkenntnis auch nur der elementarsten Literatur" führten zum "Absturz ins Bodenlose", zur "auf die Spitze getriebene(n) historiographische(n) Gegenaufklärung" und zu einer "Beleidigung der Intelligenz des Lesers".

Der Verfasser der Rezension – im Stadtarchiv Nürnberg zuständiger Referent für die lokale jüdische Geschichte und auch privat im Thema engagiert – machte sich schon alleine mit seinem mitunter überpointierten Verriß von "Spuren und Fragmente" nicht gerade Freunde bei der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (IKG). Als er dann auch noch die angebliche Übergabe der "Stürmer-Bibliothek" an die neu gegründete IKG in das Reich der Phantasie eines einzelnen Zeitzeugen verwies, war das Maß voll.

Dieser heute einflußreiche Zeitzeuge – seit 1972 Vorsitzender der IKG und Stadtrat in Nürnberg – drohte dem Verfasser der Rezension "in völlig überzogener Form mit privat- und dienstrechtlichen Schritten", so daß jener den Text aus dem Internet entfernte: "Die vom IKG-Vorsitzenden geforderte Verstümmelung des Textes stand für mich ebenso wenig zur Debatte wie irgendwelche Rechtshändel eines kommunalen Beamten mit einem Stadtrat". - Allerdings war die Rezension zu diesem Zeitpunkt (Juli 2002) in Fachkreisen schon allgemein bekannt.

Auch in den sonstigen Teilen von Ausstellung und zugehörigem Katalog machten Judaica-Fachleute gravierende Fehler aus, vor allem ausgerechnet im Kapitel "Judentum: Glaube, Tradition, Überlieferung": "An den Haaren herbeigezogen", "falsch übersetzt", "frei erfunden" und "fabulierend" seien Beschreibungen im Katalog. Dies entbehrt nicht der Pikanterie, hatte doch der IKG-Vorsitzende den Museumsführer des Jüdischen Museums in Fürth wegen angeblicher Fehler bei der Beschreibung von Judaica scharf kritisiert und sogar behauptet, der renommierte Museumsleiter Purin verstehe nichts von eben diesem Metier. Purin kommentierte die Ausstellung "Spuren und Fragmente" demgegenüber so: "Die für den Katalog ´Spuren und Fragmente´ Verantwortlichen sind augenscheinlich nicht in der Lage, einfache hebräische Schriften zu übersetzen, die Bedeutung und die Aussage solcher Schriften zu erkennen und Ritualgeräte auch nur annähernd richtig zu datieren".

Es besteht bei Interessierten in der ganzen Region weitgehend Konsens, was ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Nürnberger "Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände" jüngst aussprach: "`Spuren und Fragmente` ist vom historischen Dokumentationsgehalt nicht haltbar". Symptomatisch: Dieser Mitarbeiter will namentlich nicht genannt werden, weil der IKG-Vorsitzende im Kuratorium des Dokumentationszentrums sitzt...

Exlibris der "Jewish Cultural Reconstruction", einer Organisation, die sich nach 1945 mit der Einsammlung von Raubgut beschäftigte, Chefin in Deutschland war Hannah Arendt. Scan: Jüdisches Museum Franken.

Konkurrenz in Nürnberg?

Nachdem der lästige Rezensionstext aus dem Verkehr gezogen war, versuchten nun interessierte Kreise das Projekt einer auf "Spuren und Fragmente" aufbauenden Dauerausstellung oder gar eines entsprechenden Museums zu forcieren.

Im Oktober 2002 erfuhr der Kulturausschuß des Stadtrates Nürnberg zu seiner Überraschung, daß die geplante Abteilung "Jüdisches Leben in Nürnberg" auf der Basis von "Spuren und Fragmente" im Stadtmuseum Fembohaus auf den Weg gebracht ist. In einem Nachbargebäude wurden schon Umbaumöglichkeiten geprüft. Auch ein "Gremium" für diese neue Einrichtung ist schon installiert, dessen Zusammensetzung in Fachkreisen teils mitleidiges Lächeln, teils verzweifelte oder resignierende Mienen verursachte.

Beobachter gehen nun davon aus, daß "der findige Chef der städtischen Museen", Franz Sonnenberger, zwar sehr wohl über die mangelnde Qualität von "Spuren und Fragmente" informiert sei. Aber mit der Durchschlagskraft der IKG könne er ein Museum erweitern oder vielleicht sogar ein neues schaffen, und dazu schlucke er eben die Kröte namens "Spuren und Fragmente".

Im November 2002 nahm sich überraschend das Stadtmagazin "plärrer" dem Thema an, Überschrift: "Kritik und Schweigen - ´Spuren und Fragmente´ im Zwielicht". Der "plärrer" beschäftigt sich hier vor allem mit der Frage, warum die Nürnberger Nachrichten nicht über die Kritik an "Spuren und Fragmente" berichten, und vermutet, daß der IKG-Vorsitzende seine Beziehungen zum Verleger der Lokalpresse spielen ließ. Es werde damit "die kritische Auseinandersetzung um die Interpretation der Geschichte der Juden in Franken der öffentlichen Diskussion entzogen..., um einer bestimmten Richtung mit der publizistischen Macht zum eigenem Ausstellungsort zu verhelfen". Problematisch dabei sei vor allem, daß die Stadt Nürnberg "bedingungslos" die Linie des NN/NZ Verlegers und des IKG-Vorsitzenden unterstütze.

Rainer Büschel vom "plärrer" meint abschließend sehr richtig: "Eine Dauerausstellung über die Geschichte der Juden in Franken ist notwendig, aber es gibt sie in Fürth. Alle demokratischen Kräfte sollten sie konstruktiv unterstützen." - An die Autokraten in dieser Geschichte dachte Rainer Büschel jedoch nicht.

Für uns in Fürth stellt sich die Frage, ob dieses in Entstehung begriffene Museum mit dem Jüdischen Museum Franken um knappe Bezirkszuschüsse konkurriert. In Anbetracht der jeweiligen jüdischen Geschichte von Fürth und Nürnberg war und ist die Arbeitsteilung "Jüdisches Museum in Fürth – Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg" sicherlich die richtige Lösung zumindest aus regionaler Sicht.

"Wer im Glashaus sitzt..."

Zusammengefaßt kann festgehalten werden, daß in Fürth und Nürnberg sehr unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Während das Fürther Museum mit giftiger und gleichwohl oft haarspaltender Kritik vornehmlich aus Nürnberg überhäuft wird (ein von einem Kind getragener Gebetsmantel ist kein Kindergebetsmantel, weil Kinder keinen Gebetsmantel tragen etc.), werden in Nürnberg gravierende Mängel einer Ausstellung und eines Ausstellungskataloges offiziell ignoriert.

Während man in Fürth gewissenhafte Arbeit investiert, um rechtmäßige Besitzer geraubten Gutes ausfindig zu machen, spielte diese Frage im konkreten Nürnberger Fall - trotz geradezu zwingender thematischer Nähe – erst eine Rolle, als entsprechende Fragen von dritter Seite auftauchten.

In jedem Fall brauchen wir in Fürth angesichts der Zustände in Nürnberg keinerlei Ratschläge aus unserer geliebten östlichen Nachbargemeinde. Von dem Platz, an dem diese Zeilen entstanden sind, überblicke ich ganz Nürnberg, und es ist immer gut, dieses Städtchen im Auge zu behalten: Gott zum Gruße, und erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren. Amen, oder vielleicht sogar Shalom?


Alexander Mayer

Nürnberg. Man sollte als Fürther dieses Städtchen immer im Blick behalten... Foto: A. Mayer.