Königshof und Kappellenruh - Keimzellen von Fürth?

Alexander Mayer

(1998)

Zu Specials

Das Jahr 911 n. Chr. (Wahl von Konrad I. in Forchheim und Bestätigung der ostfränkischen Sondergemeinschaft, keine Wiederherstellung der karolingischen Staatseinheit) gilt als endgültiger Beginn der deutschen Geschichte im engeren Sinn. Vorausgegangen ist der Verfall der karolingischen Dynastie und verheerende Kriege in der Regierungszeit Ludwig des Kindes (900-911). Ludwig das Kind stellte am 19. März 907 eine Urkunde "in Loco Furt(e) dicto" aus, also an einem Ort, der heute durchaus unser Fürth sein könnte. Leider ist nicht sicher, ob nun wirklich unser Fürth gemeint war, da der Name im deutschsprachigen Raum mehrfach vorkommt. Erst eine Urkunde Heinrich II. vom 1. November 1007 nennt unser Fürth zweifelsfrei. Die Anfänge der Siedlung werden um die Mitte des 8. Jahrhunderts vermutet. Zwar behaupten manche Autoren, daß "die Tatsache bezeugt" sei, "daß in Fürth ein fränkischer Königshof bestand" oder gar: "Der Bau der Martinskirche und der Bau eines Königshofes fallen nach neueren historischen Untersuchungen wohl schon um die Zeit um 750". Quellenangaben vermißt man jedoch bei solchen Aussagen. Es bleibt eine plausible Vermutung, für die es bisher Indizien, aber keine Belege gibt. Hauptindiz ist die abgegangene Kapelle St. Martin, benannt nach dem Schutzpatron der Franken, deren Reich von Nordgallien ausging, vor allem seit der Zerstörung von Resten der römischen Herrschaft im Jahre 486 n. Chr. an Dynamik gewann und sich um 800 n. Chr. in etwa über die heutigen Territorien von West-Deutschland, Frankreich, Österreich und Nord-Italien erstreckte.

Verwaltung durch Königshöfe

Das fränkische Herrschergeschlecht der Karolinger, benannt nach Karl dem Großen (geboren 747, Kaiserkrönung 800, gestorben 814 n. Chr.) hatte ein Riesenreich zu verwalten, konnten dabei aber nicht auf moderne Kommunikationsmittel, auch nicht auf ausgebaute Straßen zurückgreifen. Eine Verwaltung von einer Residenz aus war deswegen nicht möglich. Also mußten die Herrscher herumreisen, um von Königspfalzen bzw. Königshöfen ihr Reich zu verwalten (Die Bezeichnungen Pfalz und Königshof werden in den historischen Quellen nicht eindeutig voneinander abgegrenzt). Der Abstand der Höfe an den schiffbaren Flüssen entsprach der Tages-Treidelleistung für die Bergfahrt - etwa 25 bis 30 Kilometer -, und jeder dieser Höfe lag in der Regel dort, wo die Mündung eines Baches oder Nebenflusses den kleinen, flachen Binnenschiffen Landemöglichkeiten bot. In karolingischer Zeit war das Schiff unangefochten das Hauptverkehrsmittel im Güterverkehr und zumindest flußab auch im Personentransport. Der Fuhrwerksverkehr beschränkte sich auf die kurzen Wasserscheidenwege zwischen den Flußoberläufen sowie auf den Zubringerverkehr zwischen dem Hinterland und dem nächstgelegenen Flußhafen. Die Königshöfe an der Regnitz-/Rednitzlinie lagen alle an Knotenpunkten der Schiffahrt: Uuizinburc (867 n. Chr. erwähnt, heute Weißenburg), Roth (vermutet), Suabaha oder Suapaha (vermutet, heute Schwabach), Fürth, Forachheim (805 n. Chr. erwähnt, heute Forchheim) und Halazstat (ebenfalls 805 n. Chr. erwähnt, heute Hallstadt).

Standortdiskussion

Hiesige Lokalhistoriker haben als Standort des Fürther Königshofes die umgebenden Anhöhen diskutiert, da St. Martin im Flußtal der Rednitz lag. Strategische Gründe und die Hochwassergefahr sprächen gegen die Lage im Tal. Einige andere mutmaßliche Standorte des Fürther Königshofes waren und sind in der Diskussion, z.B. an der Rednitzfurt in der Nähe der heutigen Maxbrücke, vielleicht dort, wo heute die Stadthalle steht. Hier lag wahrscheinlich der Flußübergang der wichtigen, bereits vorkarolingischen Fernstraße Frankfurt-Regensburg. Beim Bau der Stadthalle fanden sich jedoch keinerlei Hinweise. Oder aber auch - strategisch günstiger - oberhalb der Pegnitz, wo heute die Michaeliskirche steht. Eine weitere Möglichkeit: Dem Fürther Chronist Gottlieb Wunschel ist aufgefallen, daß die Anwesen um den heutigen Waagplatz größtenteils in der Hand eines Besitzers waren, in dem Adelsgeschlecht derer von Eyb. Die Belehnung muß sehr früh, vielleicht noch in der reichsunmittelbaren Zeit vor 1007 erfolgt sein. Ein solch außergewöhnlich großer Hof könnte aus dem Königshof hervorgegangen sein.

St. Martin und St. Michael

Die Entstehungszeit der heutigen Stadtkirche St. Michael wird gemeinhin auf das 11./12. Jahrhundert datiert. St. Michael war aber nicht die erste Kirche in Fürth, St. Michael war zunächst eine Tochterkirche der Martinskapelle (erstmals erwähnt 1323, indirekt schon 1235) im Rednitzgrund, die wohl im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. "Dieser Fürther Urkirche mangelte es gewiß nicht an Bedeutung, denn sie war nicht nur die Mutterkirche von St. Johannes in Burgfarrnbach, sondern auch der Kapelle St. Lorenz zum Heiligen Grab in Nürnberg, der später so bedeutenden Lorenzkirche" (Emil Ammon).

Die Legende will es, daß Karl der Große auf dem Rückweg von der fossa carolina (Kanalprojekt zwischen Schwäbischer Rezat und Altmühl) diese Kapelle errichtet haben soll. In den Reichsannalen, einer Art offizieller Geschichtsschreibung der Karolinger, wird für das Jahr 793 folgendes überliefert: "Im Herbst kam der König zu Schiff von Regensburg zu dem großen Graben zwischen Altmühl und Rednitz und dort fanden sich Boten des Papstes mit großen Geschenken ein... Von hier fuhr er auf der Rednitz zu Schiff in den Main und feierte Weihnachten beim heiligen Kilian in Würzburg".

Vorbeigekommen ist Karl der Große im Winter 793 also tatsächlich. Falls es einen Königshof gab, hat er wohl auch in Fürth übernachtet, da in der Dunkelheit die Schiffahrt zu gefährlich war. Die Boote konnten flußabwärts vermutlich so schnell getreidelt werden, daß sie eventuell eine Nachtstation überschlagen konnten, aber diese ausgelassene Station war dann von Weißenburg kommend wohl eher Roth bzw. Schwabach.

Der für die Kapelle namensgebende St. Martin von Tours (316 bis 397 n. Chr.) war im frühen Mittelalter zunächst der populärste Heilige Frankreichs und wurde deswegen vom Merowinger Chlodwig I. als Schutzpatron der Franken gewählt, um sich im besetzten Gallien Sympathien zu erwerben. Entsprechend bevorzugt war der Heilige Martin bei Namensgebungen. Und auch die Verbindung zu St. Michael könnte schon karolingische Wurzeln aufweisen: Michael, der Erzengel, war bei den Karolingern als Führer der himmlischen Heerscharen und damit Beschützer der christlichen Heere ebenfalls sehr beliebt. In den Westwerken karolingischer Kirchen war ihm häufig eine Kapelle geweiht, um das aus dem Westen kommende Böse abzuwehren. Er war bevorzugter Patron der Burgkapellen und sein Kult verdrängte auf den Bergen den Wotanskult. Auch dies paßt in meine Arbeitshypothese (siehe unten).

Nördlich des Chors von St. Michael stand bis 1812 die Kapelle zum Heiligen Grab, über deren Entstehungszeit nichts bekannt ist. Die Fronmüller-Chronik behauptet zwar, daß diese Kapelle "viel älter als die St. Michaelskirche war", Belege fehlen indes. Im Grundstein fand man einige Stücke Schwefel und blaßgrüne Steinperlen; eine Information, die uns wahrscheinlich auch nicht weiterhilft.

CD-ROM gibt neuen Anstoß

Nun fand sich in einem handelsüblichen CD-ROM-Satelittenatlas nahe der Kapellenruh auffällige Strukturen. Da sie nicht ganz eindeutig waren, wurden mit Hilfe des Aero Clubs Fürth aus einem Sportflugzeug weitere Aufnahmen geschossen. Die Aufnahmen zeigen neben mehreren diffusen Spuren einen eindeutigen rechteckigen Grundriß, 12 mal 25 Meter groß und ca. 100 Meter von der Kapellenruh entfernt. Nachfragen bei der Stadt, ob uns ein Regenrückhaltebecken oder ähnliches genarrt habe, wurden dort verneint. Die Durchsicht aller historischen Pläne und Stadtansichten ergab bisher keinen Hinweis auf ein derartig großes Gebäude an diesem Ort, auch wenn der Geschichtsverein dies irrtümlich in den Fürther Nachrichten behauptete. Da in der Fürther Bauregistratur berichtet wird, daß nach Abbruch der letzten Reste von St. Martin der Bereich auf das Niveau der umgebenden Wiesen eingeebnet wurde, stand auch die Überlegung im Raum, es könnte sich um Überreste der Kapelle handeln, womit sich das Denkmal an einem falschen Ort befände. Aber die Ausrichtung weicht um ca. 13 Grad von jener der St. Michaels Kirche ab, deren Achse ja bekanntlich auf den Sonnenaufgangspunkt des Martinstages ausgerichtet ist, was als Huldigung der älteren Kirche zu verstehen ist.

Ich habe inzwischen unter anderem mit dem Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen (Herausgeber des Repertoriums der deutschen Königspfalzen), mit dem Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte in Regensburg und mit Herrn Prof. Ellmers vom Deutschen Schiffahrtsmuseum - ein Spezialist für frühmittelalterliche Flußschiffahrt - in bezug auf dieses Problem Kontakt aufgenommen. Die Antworten bestärkten mich in der Meinung, daß der Standort prinzipiell durchaus in Frage kommt. Der Vergleich der Strukturen auf meinen Luftaufnahmen mit den Ausgrabungsbefunden verschiedener Königshöfe - beispielsweise jenen von Duisburg oder Grone - lassen in mir die Hoffnung aufkeimen, daß hier Spuren des sagenhaften Königshofes vorliegen könnten. Sensationell wäre es aber auch, wenn sich an dieser Stelle "nur" eine Art Ufermarkt des Königshofes befand, ähnliches gab es beispielsweise bei der Ingelheimer Pfalz. Natürlich führen diese Überlegungen nur zu Hypothesen, aber wer etwas von Wissenschaftstheorie versteht, der weiß: Empirische Forschung und der überwiegende Teil unseres heutigen Wissenschaftsgebäudes bestehen aus Hypothesen und aus sonst nichts.

Aufbau einer Pfalz

Ausgangspunkt einer Pfalz in karolingischer Zeit war der Wirtschaftshof (curtis, villa), ein gewöhnlich in Eigenwirtschaft des Königs stehender, landwirtschaftlicher Hof, der für die Tafel des Königs zu sorgen hatte. Nur in den bedeutenderen Königshöfen war eine Unterkunft für den König vorhanden; man behalf sich mit repräsentativen Zelten und am Ufer vertäuten Schiffen. Neben diversen Wohn- und Wirtschaftgebäuden (der Weinkeller fehlte selten) fanden sich laut einer zeitgenössischen Quelle (Brevium exempla, 799/800 n. Chr.) in solchen Königshöfen evtl. ein königlicher Saalbau oder ein königliches Wohnhaus (oft aus Stein gebaut, wie dann extra vermerkt wird) und "eine aus Steinen erbaute Kapelle".

Die Kapelle war zumeist im jeweiligen Königshof integriert.

Überschwemmungsgebiet

Die Lage unserer ehemaligen Kapelle St. Martin im Überschwemmungsgebiet spricht wiederum dagegen, aber warum wurde dann das Kirchlein hier unten angelegt und nicht oben auf der sicheren Hochfläche, wo heute das Altstadtviertel St. Michael steht? Eventuell war in jener Zeit das Überschwemmungsgebiet bei Hochwasser weniger ausgeweitet als vom Spätmittelalter bis heute, da die Flußauen noch nicht abgeholzt und durch Bebauung eingeengt, die Flüsse noch nicht begradigt und kanalisiert waren. Großflächige Rodungen begannen seinerzeit erst. Zumindest gab und gibt es Schwankungen, die zum Beispiel klimatisch bedingt sein können. Dies läßt sich z.B. schon aus einer sehr frühen Quelle erschließen, eine 511 n. Chr. von Eugippius verfaßten Schrift über das Leben des heiligen Severin berichtet von der regelmäßigen Überschwemmung einer Kapelle, die durch das Wirken des Heiligen dann unterbunden wird.

Das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg vertrat mir gegenüber jedoch die Meinung, daß die Unterschiede zu heute wahrscheinlich nicht so groß sind. Der Wasserstand der Pegnitz auf der Höhe der Museumsbrücke in Nürnberg wird seit 1300 aufgezeichnet. Hiernach ist ein- bis zweimal im Jahrhundert mit einem katastrophalen Hochwasser zu rechnen, letztmalig war dies bisher 1909 der Fall. Die Pegnitz führte seinerzeit etwa 370 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, der Normalwert liegt bei 11 Kubikmeter/Sekunde. Auch für das Jahr 1342 ist ein ähnlich starkes Hochwasser verbürgt. In einer Urkunde von 1349 wird laut Emil Ammon das Hochwasser als Grund für die Loslösung der Tochterkirche St. Johannes in Burgfarrnbach von der Mutterkirche St. Martin angeführt, eine weitere Urkunde von 1362 bezeichnet dann erstmalig St. Martin als eine Nebenkirche von St. Michael, das Verhältnis hatte sich auch hier umgekehrt.

Nicht ganz klar ist weiterhin die Wirkung des ab 1740 angelegten Scherbsgrabens. Bei an- und abschwellenden Hochwasser zeigt sich, daß die zur Überflutung führenden Wassermassen auf der Linie dieses Grabens mitgeführt werden. Eventuell wären ohne Graben die Wiesen um die Kapellenruh erst bei wesentlich höheren Wasserstand überflutet.

Die Hypothese

Peter Schmid, Professor für Bayerische Landesgeschichte in Regensburg, wies mich darauf hin, daß die zeitgenössischen "Annales Fuldenses" (Jahrbücher von Fulda) und "Annales Regni Francorum" sehr wohl von Überschwemmungen im 8. und 9. Jh. n. Chr. berichten, zumeist im Rheingebiet. Die zeitlichen Abstände gravierender Hochwasser waren relativ groß, durchschnittlich 15 - 20 Jahre.

Da vor allem Hochwasser im Rheingebiet erwähnt wurden, möchte ich nun folgendes einwenden: Köln am Rhein wurde im Jahre 455 n. Chr. von den Franken erobert. Die Franken erweiterten Köln, aber sie taten dies zum Rhein hin, sie bezogen sogar eine den römischen Stadtmauern vorgelagerte Insel ein (dort steht heute die Kirche Groß St. Martin, die Insel wurde mit dem Festland verbunden). Das führt wiederum zur Schlußfolgerung: Eine Überschwemmung alle 15 Jahre und leichtere Hochwasser zwischendurch hat man seinerzeit akzeptiert, da die Franken Köln ansonsten ja wohl kaum zum Rhein hin bis direkt an das Ufer erweitert hätten. Im übrigen gibt es zahlreiche historische Städte und Stätten, die im Hochwassergebiet lagen und liegen, man denke nur an Trier (älteste Stadt Deutschlands), Koblenz, Mainz, Regensburg, Passau, Miltenberg, Wertheim, Würzburg, Baden-Baden etc. etc. Die Vorteile der Lage am schiffbaren Fluß überwogen anscheinend in vielen Fällen die damit verbundenen Gefahren und Risiken.

Professor Detlev Ellmers, Direktor des Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven, schrieb mir in diesem Zusammenhang, daß Königshöfe zunächst einmal landwirtschaftliche Betriebe waren, deren Lage sich nach den Erfordernissen der Landwirtschaft richtete: "Und für die war die Nähe guten Trinkwassers für das Vieh von ausschlaggebender Bedeutung... Deshalb ist die Alternative nicht: Höhensiedlung oder Talsiedlung, sondern Siedlung nahe dem Trinkwasser, aber nicht so, daß man nach jedem Regen im Wasser stand. Anders ausgedrückt: Bei Siedlungen im Tal konnten schon geringe Höhenunterschiede (und seien es nur Sandhorste in der Talaue) über Siedlungsmöglichkeiten oder -unmöglichkeiten entscheiden." Die Situation im 8./9. Jh. kann nur durch geologische Bohrungen erforscht werden, die heutige Lage ist dabei nur bedingt aussagekräftig. Die schon erwähnten verkehrstechnischen Gegebenheiten kamen hinzu: "Jeder dieser Höfe lag dort, wo die Mündung eines Baches oder Nebenflusses den kleinen, flachen Binnenschiffen gute Ladungsmöglichkeiten bot...".

In die Standort-Diskussion möchte ich zudem ein weiteres Forschungsergebnis anerkannter Experten (Günther Binding und Adolf Gauert) einbringen: Bis zum 9. Jh. wurden die Pfalzen und Königshöfe allgemein - außer im neueroberten Sachsen - nicht mit Wehranlagen umgeben, man begnügte sich mit für den Notfall angelegte Fluchtburgen (Wallanlagen ohne weitere Funktion) an anderer, aber natürlich nahegelegener Stelle. Erst im Verlauf des 9. Jh. und vor allem seit 936 wurden die Höfe innerhalb der Fluchtburg angelegt und dann auch als Burg bezeichnet. Die Gründe lagen in Kriegswirren und in der wachsenden militärischen Bedrohung, die das Frankenreich bis zum Tode Karl des Großen (814 n. Chr.) in dem Maße nicht kannte; bis dahin waren in der Regel die Franken in der Offensive.

Ich gehe zusammenfassend davon aus, daß der Standort Kapellenruh nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann, vor allem jetzt nicht, nachdem auf den Luftaufnahmen Spuren einer Bebauung auszumachen sind. Die Fluchtburg könnte von dort aus gesehen theoretisch folgende Standorte haben: entweder beim heutigen Klinikum oder bei St. Michael. Für ersteres spricht die Nähe, die Flüchtenden müßten auch nicht den Fluß überqueren, zudem wurde der potentielle Feind aus dem Osten erwartet (Awaren). Für St. Michael sprechen die strategisch günstigere Lage und vor allem die weitere Siedlungsentwicklung; ich erinnere zudem auf das oben ("St. Martin und St. Michael") ausgeführte.

Deswegen stelle ich für Fürth folgende Arbeitshypothese auf:

Um 800 nach Christus lag eine Fluchtburg im Gebiet der heutigen Kirche St. Michael, die Pfalz mit Wirtschaftshof und Anlege- bzw. Landestelle für Treidelkähne befand sich dagegen bei St. Martin. Im Laufe des 9. Jahrhunderts verlegte man den Hof in die Fluchtburg. Später entstand daraus eine von Höfen umgebene Wehrkirche und damit die Keimzelle von Fürth.

Mögliche Untersuchungen

Man könnte zunächst noch einmal Luftaufnahmen anfertigen und dabei einen Motorsegler benutzen, der ruhiger fliegt; zudem muß man nicht durch die Plexiglasscheibe fotografieren. Leider waren im Sommer 1998 die Witterungs- und Wuchsverhältnisse für solche Aufnahmen ungünstig, so daß dieser Flug auf das nächste Jahr verschoben werden mußte.

Die Firma Thermoscan Thermographie GmbH, Veitsbronn, hat uns kostenfreie Infrarotaufnahmen angeboten. Dazu brauchen wir einen besonders langsamen Flugapparat, in der Diskussion ist ein Heißluft-Ballon.

Vor allem aber sollen magnetometrische Untersuchungen des Gebietes durchgeführt werden. Die magnetische Prospektion bietet eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber der Fotografie und der Grabung. Einerseits zeigt die hochauflösende Cäsium-Magnetometrie Spuren, die mit der Fotografie selbst bei günstigsten Wuchsverhältnissen nicht gefunden werden können. Andererseits gelingt mit dieser Prospektionsmethode ein zerstörungsfreier Nachweis von Spuren, die bei der gewissenhaftesten Grabung verlorengehen würden, da sie optisch nicht wahrnehmbar sind.

In Bayern wurde die Methode erfolgreich beispielsweise bei der Prospektion der mittelneolithischen Grabenanlage Meisternthal bei Landau (5. Jt. v. Chr.) und der neolithischen Siedlung von Riekhofen bei Regensburg angewandt.

Aber auch die Suche nach der Stadtmauer des homerischen Troia brachte erregende Ergebnisse. Bei einer Testmessung in Ostia Antica konnte eine bisher unbekannte Basilika innerhalb der Stadtmauer entdeckt werden. Die Vermessung von Piramesse, der verschwundenen Hauptstadt Ramses' II. im Nil-Delta, bewies die Leistungsfähigkeit der Methode: Die Erstellung eines (Stadt-) Planes von Piramesse und damit auch von anderen versunkenen Städten und Stätten durch zerstörungsfreie magnetische Prospektion als Vorbereitung gezielter Grabungen ist mit der Magnetometrie möglich geworden.

Dies wäre damit auch die ideale Untersuchungsmethode für unser Gebiet.

(geringfügig aus heutiger Sicht veränderte Version eines Artikels im Altstadtbläddla 33/1998)

 

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Abbildung 1: Ruinen der Kapelle St. Martin um 1705. Stich von Johann Alexander Boener.

 

 

 

 

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Foto 1: Der Treidelkahn - ein Hauptverkehrsmittel in karolingischer Zeit. Das Bild zeigt den Nachbau eines Kahns aus dem 19. Jh. Es wurden keine Nägel und Schrauben verwendet, nur Holzverbindungen. Vor 1000 Jahren sah so ein Kahn wohl kaum anders aus. Foto: A. Mayer.

 

 

 

 

 

 

 

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Foto 2: Die Kapellenruh im Hochwasser, selbst aber nicht überflutet. Foto: A. Mayer.

 

 

 

 

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Foto 3: Zwecks Erkundung des Umfeldes der Kapellenruh wurden mit Unterstützung des Aero Clubs Fürth Luftaufnahmen angefertigt. Beim Flug dabei: Volker Dittmar und Günter Kögler von den Fürther Nachrichten sowie 1. Vorsitzender Alexander Mayer. Foto: Pilot Bernd Tauber.

 

 

 

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- Foto 4: Ziel erreicht. Rechts die Nordspange, etwas links von der Bildmitte die Kapellenruh. Foto: A. Mayer.

 

 

 

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Foto 5: Das Sportflugzeug liegt in einer scharfen Kurve, die Kapellenruh fast senkrecht unter uns. Der fragliche Grundriß ist aber nur in Farbe zu erkennen. Foto: A. Mayer.

 

 

 

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Foto 6: Das Altstadtviertel St. Michael am 14. Juni 1998. Blickrichtung etwa Südost, die Straßenachse Angerstr./Gustavstraße etwa in der Bildmitte. Foto: A. Mayer.